Intervallfasten für Frauen: Sinnvoll oder kontraproduktiv?
Fasten liegt im Trend und das nicht nur in der Fastenzeit, sondern auf Dauer als Intervallfasten, auch intermittierendes Fasten. Länger leben, Entzündungen reduzieren und oft der Wunsch ein paar überflüssige Kilos los zu werden. Klappt das?
Intervallfasten, auch intermittierendes Fasten genannt, ist im Trend. Die langen Essenspausen sollen sich positiv auf den Stoffwechsel auswirken, das Risiko für Zivilisationskrankheiten wie Diabetes reduzieren und noch dazu dafür sorgen, dass die Pfunde wie von allein purzeln.
Doch zu diesen, auch durch Studien bestätigten Effekten, mischen sich Erfahrungen von Frauen. Frauen, die durch das Intervallfasten einen unregelmäßigen Zyklus haben, über Schilddrüsenprobleme klagen oder deren Wechseljahrsbeschwerden sich verstärkt haben.
Wie kann das sein? Ist Intervallfasten denn nun gesund oder nicht?
Ist Intervallfasten gesund?
Beides! Wie immer, wenn es um die Ernährung geht, heißt es hier wohl: Es kommt darauf an. In dem Fall kommt es primär auf das Geschlecht an.
Der Großteil der Studien zu den Vorteilen des Fastens wurde mit Männern durchgeführt. Uns ist zum Glück klar, dass wir Frauen keine kleinen Männer sind und so gewonnene Erkenntnisse keine allgemeingültigen Rückschlüsse zulassen. Doch leider wird dies beim Intervallfasten getan.
Aber: Wir Frauen haben einen anderen Stoffwechsel und einen deutlich komplexeren Hormonhaushalt, was für uns ein paar andere Voraussetzungen beim Fasten schafft. Männer kommen mit dem Fasten meist besser zurecht als wir. Doch warum ist das so?
Intervallfasten für Frauen ungeeignet?
Unsere Sexual-Hormone, die so wichtige Funktionen wie Eisprung, Stoffwechsel und Stimmung regulieren, reagieren sehr sensibel auf die Energiezufuhr durch unsere Ernährung.
Intervallfasten und die HPG-Achse
HPG-Achse, das steht für die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse:
Im Hypothalamus wird das Hormon GnRH (Gonadotropin-releasing Hormon) produziert. Das stößt bei uns Frauen in der Hypophyse, der Hirnanhangdrüse, die Ausschütung des Follikelstimulierenden Hormons (FSH) und des Luteinisierenden Hormons (LH) an. Diese beiden regulieren wiederum die Produktion von Östrogen und Progesteron in den Eierstöcken.
Dieses GnRH ist sehr sensibel und lässt sich leicht durcheinander bringen. Zum Beispiel durchs Fasten. Bei manchen Frauen schrillen schon die GnRH-Alarmglocken, wenn sie 1-2 Mahlzeiten auslassen.
Das sind recht neue Erkenntnisse. Zuvor ging man davon aus, dass die HPG-Achse „nur“ dann durcheinanderkommt, wenn unser Körperfettanteil zu niedrig ist.
Ergibt ja Sinn: Nahrungsmangel ist für den Körper ein Notzustand und in der Not löst er keinen Eisprung aus. Bei sehr dünnen, untergewichtigen Frauen, auch bei Leistungssportlerinnen, führt dies zum Ausbleiben der Periode.
Da aber auch bei Frauen mit „genug“ Körperfett diese Phänomene auftreten, vermutet die Wissenschaft, dass nicht nur der Körperfettanteil, sondern bereits die Kalorienaufnahme an sich eine Rolle spielt.
Intervallfasten bedeutet Stress
Wir wissen darüber hinaus, dass Stress – körperlicher und psychischer – ebenfalls über die HPG-Achse direkt die Sexualhormone beeinflusst. Stresshormone, v.a. das in den Nebennieren produzierte Cortisol, werden ausgeschüttet und funken Alarm. Diese Aufregung überträgt sich nach oben in den Hypothalamus und dort läuft das GnRH wieder aus dem Ruder.
Nun haben auch Männer das GnRH (bei ihnen stimuliert es die Testosteron- und Spermienproduktion) und Stress haben sie auch. Woher also kommt der Unterschied in den Fasten-Reaktionen bei Mann und Frau?
Dr. Helen Kollias von Precision Nutrition hat drei mögliche Gründe zusammengetragen:
1. Kiss Kiss Kiss
Studien legen nahe, dass die unterschiedlichen Fasten-Reaktionen, auf ein proteinähnliches Molekül mit dem tollen Namen Kisspeptin zurückzuführen sind. Es spielt eine wichtige Rolle für die Fortpflanzung, indem Kisspeptin die GnRH-Produktion stimuliert. Frauen haben mehr Kisspeptin als Männer. Ein möglicher Grund, warum wir auf eine reduzierte Energiezufuhr stärker reagieren: Fasten wir, stagniert die Kisspeptin-Produktion. GnRH kommt aus dem Takt und damit auch der hormonelle Zyklus.
2. Zu wenig Protein
Frauen essen oft zu wenig Proteine, besonders dann, wenn sie bewusst Kalorien reduzieren wie auch beim Fasten. Und mit den Proteinen fehlen deren essenzielle Aminosäuren, was wiederum die Östrogenproduktion und damit den Zyklus beeinflussen kann.
3. Vorhandensein von Östrogen
Und klar, auch Östrogen hat die Finger im Spiel: Östrogenrezeptoren befinden sich überall im Körper, demzufolge beeinflusst Östrogen nicht nur Fruchtbarkeit und Zyklus, sondern auch Stimmung, Knochen, Verdauung und – wichtig, wenn es ums Fasten geht – Energiebalance und Appetit. Alles, was Östrogen sinken lässt, wie z. B. Fasten, wirkt sich auf Hunger und Appetit aus und kann uns durchs Fasten hungriger machen.
Dazu kommt der Östrogen-Einfluss auf die Fettspeicherung: Der Östrogenverlust in den Wechseljahren bewirkt eine Umverteilung Richtung Bauchfett. Stichwort: Hormonbauch. Noch dazu speichert unser Körper jetzt gern Fett, da er daraus in der Postmenopause Östrogen produziert.
Du solltest mit dem Intervallfasten aufhören, wenn …
Vielleicht gehört das Intervallfasten aber schon fest zu deinem Alltag. Solange es dir guttut, kannst du damit natürlich weitermachen. Du solltest aber mit dem Intervallfasten aufhören, wenn:
- dein Zyklus sich verändert
- deine Menstruation ausbleibt
- du Schlafprobleme hast
- dir vermehrt Haare ausfallen
- du plötzlich unter trockener Haut oder Hautunreinheiten leidest
- du jeden Infekt mitnimmst
- deine Stimmung öfter mal Achterbahn fährt
- deine Stressresistenz abnimmt
- sich deine Libido verabschiedet
- deine Verdauung nicht mehr flutscht
- du ständig frierst
So geht gesundes Intervallfasten für Frauen
Egal ob Stimmungsschwankungen, PMS oder Hitzewallungen – wenn Symptome eines hormonellen Ungleichgewichts vorliegen, solltest du auf strenges Intervallfasten verzichten.
Probiere es lieber mit diesen sanften und hormonfreundlichen Alternativen:
- Begrenze deine Essenspausen auf maximal 13 Stunden. So verhinderst du Stressreaktionen deines Körpers.
- Verzichte nicht auf dein Frühstück. Nimm lieber dein Abendessen früher zu dir, um ausreichend Pause für deine Verdauung zu schaffen.
- Meide das (Intervall-)Fasten während deiner Menstruation.
Nicht wann du isst, sondern was du isst
Viel wichtiger ist, was du in deinen Essenszeiten isst. Iss dich satt an Gemüse, iss zu jeder Mahlzeit ausreichend sättigende, muskelaufbauende pflanzliche Proteine, Ballaststoffe und gute Fette, trinke ausreichend Wasser und beweg dich.
Lass leere Kalorien wie zuckerreiche, schnelle Kohlenhydrate aus Weißmehl, Alkohol und zu viel tierisches Fett weg. Koche selbst, iss regional, saisonal und frisch. Oder baue leichte Mahlzeiten ein, wie einen Energie Protein-Shake. Am besten orientierst du dich an unseren Simple 7.
Du wirst sehen, das funktioniert, lässt sich lebenslang durchhalten und bedeutet keinen Verzicht, sondern leckere gesunde Qualität! Und: Du tust damit richtig was für deine Hormonbalance.
Studien & Quellen
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