Ayurveda: Typgerechte Ernährung für die Lebensmitte
Wechseljahre haben in der ayurvedischen Tradition schon immer einen hohen Stellenwert: Es ist die Zeit, in der die Frau von der Macherin zur Wissenden wird. Mit typgerechter Ernährung kannst du diesen Übergang positiv beeinflussen.
Ayurveda heißt „Wissen oder Wissenschaft vom Leben“ und umfasst ein Gesamtkonzept, bei dem es nicht darum geht, einzelne Symptome zu behandeln, sondern den Mensch als Ganzes wieder in seine eigene Balance zu bringen. Oder anders ausgedrückt: Symptome sind nur ein Zeichen dafür, dass die eigene Balance verlorengegangen ist.
Zentral ist die Lehre der drei Konstitutionstypen, der Doshas. Sie heissen Vata, Pitta und Kapha. Unser Aussehen, die Verdauung, gewisse typische Charakterzüge und Verhaltensweisen, aber auch unsere weiblichen Qualitäten wie Zyklus oder Libido sagen etwas darüber aus, welchem Typ wir zugeordnet sind. Und was unser Körper entsprechend braucht, um seine Mitte und sein Wohlbefinden zu wahren.
Die 3 Doshas – kurz erklärt
Jede von uns ist einzigartig. So, dass sich die Doshas bei uns natürlich nicht in Reinform, sondern in einer ganz individuellen Mischung präsentieren. Doch fast immer dominiert ein Typ, was sich spätestens dann deutlich zeigt, wenn uns Symptome das Leben schwer machen. Das Wissen über unseren Typ kann helfen, mit angepasster Ernährung und Veränderungen unseres Lebensstils den Tücken des hormonellen Wandels zu begegnen.
Welcher Typ bin ich?
Kapha: Kapha-Typen zeichnen sich durch ihre ruhige, geerdete und loyale Art aus. Sie sind gerne für andere da und fühlen sich in der zweiten Reihe am wohlsten. Sie haben ein ausgezeichnetes Gedächtnis und erinnern sich an jede Kleinigkeit. In ihrem Alltag haben diese Typen gerne Routinen und es fällt ihnen leicht, diese aufrechtzuerhalten. Für Neues hingegen sind sie oft zu bequem. Sie haben häufig einen schweren Körperbau und neigen dazu, viel zu essen und zu schlafen. Regelmäßige Bewegung hingegen liegt ihnen nicht im Blut.
Pitta: Pitta-Typen sind ehrgeizig, arbeiten strukturiert und können sich gut konzentrieren. Sie sind praktisch veranlagt und logische Denker. Der feurige Pitta-Typ neigt aber auch zu Wutausbrüchen, besonders dann, wenn er hungrig ist. Es fällt ihm eher schwer, sich zu entspannen und er leidet häufig unter Einschlafproblemen. Der Körperbau ist mittelschwer, zum Teil athletisch. Die meisten Pittas bewegen sich gerne. Zu viel Wärme mögen sie nicht.
Vata: Vatas gelten als kreativ und enthusiastisch. Sie probieren gerne Neues aus und sind sehr aufgeschlossen. Sie sind aktiv, manchmal geradezu sprunghaft. Sie sind begeisterungsfähig, machen sich aber auch Sorgen und neigen zu Nervosität. Der Körperbau ist leicht, die Haut neigt zu Trockenheit und sie frieren schnell an Händen und Füßen. Häufig leiden sie unter Verdauungsbeschwerden und / oder Schlafstörungen.
Wechseljahre und Doshas
Entsprechend unserer Doshas reagieren wir alle unterschiedlich auf hormonelle Umstellungen in der Lebensmitte. Und doch gibt es interessante Gemeinsamkeiten der weiblichen Entwicklung, die sich in der Betrachtung der drei großen Lebensphasen zeigen. Die Doshas finden sich nicht nur individuell bei jedem Typ, sondern auch in den verschiedenen menschlichen Lebensabschnitten:
- In der Kindheit muss Masse und Stabilität gewonnen werden, dafür ist Kapha zuständig.
- In der mittleren Lebensphase herrscht Aktivität vor, das Leben wird organisiert. Dies wird durch Pitta unterstützt.
- Nachdem alles geregelt ist, darf man sich der geistigen und spirituellen Entwicklung widmen und Vata tritt in den Vordergrund.
Die Wechseljahre beschreiben also den Wandel zwischen der Pitta-und Vata-Lebensdekade. Es kommt zu einer Dosha-Verschiebung, häufig zu einem Vata-Überschuß. Je nach Dosha-Typ, unterschieden sich Symptome, denn jeder Übergang ist für den Organismus anspruchsvoll und muss individuell neu ausbalanciert werden.
Was brauche ich jetzt?
Ein Ayurveda-Arzt wird immer zuerst die Grundkonstitution ermitteln. Neben dem Gespräch wird die Betrachtung der Zunge und die Pulsdiagnose eingesetzt. Im nächsten Schritt geht es darum zu klären, bei welchen Doshas ein Überschuß vorliegt, wo man also aus der Balance geraten ist. Darauf baut ein individueller Therapieplan auf. Doch auch ohne einen perfekt abgestimmten Plan, kann man sich selbst viel Gutes tun.
Kapha Dysbalance
Vor und während der Wechseljahre hat die Kapha-Frau oft mit einer Gewichtszunahme zu kämpfen. Außerdem fühlt sie sich häufig antriebsschwach, müde und neigt zu Kopfschmerzen und Wassereinlagerungen. Auch Traurigkeit und Depressionen können Begleiterscheinungen sein. Es gilt, den Stoffwechsel wieder anzuregen. Neben Sport, Bewegung und neuen geistigen Herausforderungen solltest du gezielt auf deine Ernährung achten:
- Setze auf leichte Kost mit viel Gemüse, zu viel Fleisch solltest du meiden.
- Scharfe, wärmende Gewürze wie Ingwer, Chili und Zimt aktivieren deinen Stoffwechsel und regen die Verdauung an.
- Greife zu warmen Getränken – zum Beispiel warmes Wasser mit etwas Ingwer – am besten gleich morgens nach dem Aufstehen.
- Als sättigende Basis eignen sich Buchweizen, Hirse und Gerste.
- Vermeide fettige, ölige Speisen, da sie deine Trägheit befeuern. Gleiches gilt, wie immer, für Zucker und Süßigkeiten.
- Reduziere Milch und Milchprodukte, denn sie „verschleimen“ deinen Magen.
- Llasse immer genug Zeit zwischen den Mahlzeiten und iss nur dann, wenn du wirklich hungrig bist.
Pitta Dysbalance
Pitta-Frauen kämpfen häufig mit Hitzewallungen. Weitere klassische Symptome sind Hautirritationen, Entzündungen, Reizbarkeit, Ungeduld und depressive Verstimmungen. Gerade zu Beginn der hormonellen Umstellung kommt es auch häufig zu starken, schmerzhaften Blutungen. Was du für dich tun kannst:
- Sei vorsichtig mit Koffein, Alkohol und scharfen Speisen, denn sie verstärken die Hitzewallungen,
- Sehr saures, stark gesalzenes, sowie rotes Fleisch solltest du ebenfalls meiden.
- Setze stattdessen auf Kreuzblütler und jegliches grünes Gemüse.
- Auch wenn im Ayurveda der Fokus generell auf gekochtem Gemüse liegt: Dein Typ verträgt auch Rohkost.
- Kühlende Getränke und Lebensmittel helfen bei zu viel Hitze im Körper, z.B. Salate, Mango, Apfel oder kühler Minzetee.
- Bitter ist das neue Süß: Alles mit Bitterstoffen, wie Rucola, Artischocken oder Chicorée tut dir gut.
- Greife zu süßem Obst, säurehaltiges wie Zitrusfrüchte hingegen solltest du minimieren.
- Bevorzuge milde Gewürze wie Ingwer, Fenchel, Koriander und Kurkuma. Auch Kräuter wie Koriander und Minze tun dir gut.
- Milchprodukte (außer saurem Joghurt) kannst du essen, wenn du sie verträgst.
Vata Dysbalance
Da Frauen durch die Wechseljahre in die Vata-Phase eintreten, sollte dieser Balance besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Klassische Beschwerden eines Vata-Überschusses sind Schlafstörungen, Nervosität, innere Unruhe, Nervenleiden und Stimmungsschwankungen. Darüber hinaus trockene Haut und Schleimhäute, Rückenschmerzen und Gelenkbeschwerden. Das ist jetzt für dich wichtig:
- Meide kalte Speisen wie Rohkost, Salat und Eis.
- Achtung mit Kohl, da er deinen Darm belastet und ggf. Verstopfungen befördert.
- Reduziere Kaffee und schwarzen Tee.
- Setze auf wärmende Speisen wie Porridge, Suppen oder Eintöpfe.
- Leicht verdauliches gekochtes Gemüse, Fisch und Geflügel ohne viel Fett sind gut für deinen Darm.
- Würze mit Ingwer, Fenchel, Anis, Koriander, Kümmel, Zimt und Vanille.
- Gönne dir warme, beruhigende Kräutertees.
- Bringe Regelmäßigkeit in deinen Alltag. Regelmäßige Essens- und Schlafenszeiten, regelmäßige Arbeit, regelmäßige Bewegung, regelmäßige Ruhepausen. Verwöhne dich mit allem, was wärmt.
Neue Gewohnheiten
Unabhängig von deiner individuellen Konstitution solltest du jetzt generell kleinere Portionen essen und lieber nochmal nachnehmen, wenn es nicht reicht. Sehr scharfe, salzige und saure Speisen vermeiden und lieber zu bitteren, herben und süßlichen Nahrungsmitteln greifen.
Wichtig ist auch eine ausreichende Kalzium-Zufuhr, z.B. über Nüsse, Petersilie, Rucola, Hülsenfrüchte. Über den Tag verteilt solltest du viel warmes Wasser oder Kräutertee trinken – wenn du unter starken Hitzewallungen leidest, dann besser lauwarme oder kühle Getränke.
Schlinge deine Ernährung nicht hektisch in dich rein. Gönn dir Ruhe beim Essen und belohne dich mit allem, was Ayurveda sonst noch zu bieten hat: Ölmassagen gegen trockene Haut, Ghee-Fußmassagen, um Hitzewallungen zu regulieren oder Yoga für mehr Dynamik oder Ruhe im Alltag. Das tut auch dann gut, wenn du der Typeneinteilung der indischen Tradition nichts abgewinnen kannst.
Studien & Quellen
Ayurveda: (W)here is the evidence | D.B. Anantha Narayana, Journal of Ayurveda and Integrative Medicine, 2021, S. 408-411 |
Bridging Ayurveda with evidence-based scientific approaches in medicine | Bhushan Patwardhan, EPMA J. 2014 |
Ayurveda-Medizin: kaya-cikitsa - Therapiekonzepte für innere Erkrankungen | Shive Narain Gupta, Georg Thieme Verlag, New York / Stuttgart, 2019. 3. Auflage |