REIZDARM – SYMPTOME, URSACHEN UND BEHANDLUNG
Verstopfung, Durchfall, Blähungen und Bauchschmerzen – ein Reizdarm (IBS) kann im Alltag ganz schön einschränken. Aber was steckt hinter der Diagnose Reizdarmsyndrom? Und vor allem: Wie wird Frau den Reizdarm wieder los?
Reizdarm – eine Erkrankung, von der Schätzungen zufolge rund 11 Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Das entspricht jedem siebten Einwohner. Frauen sind übrigens doppelt so häufig betroffen wie Männer. Dafür wird recht wenig über das Reizdarmsyndrom gesprochen und die Betroffenen mit ihrer Diagnose oft allein gelassen. „Das ist jetzt so. Da kann man auch nichts machen.“
Kein Wunder, dass die Verzweiflung oft groß ist. Denn Reizdarm bedeutet zum Beispiel, sich aufgrund explosionsartiger Durchfälle kaum zu trauen, das Haus zu verlassen. Oder die Ausflüge entsprechend der Toilettensituation zu planen. Vor jeder Mahlzeit zu überlegen, ob sie zu irgendwelchen Beschwerden führen könnte. Ständig mit Schmerzen zu leben oder einen Bauch zu haben, als wäre man im 9. Monat schwanger.
Aber was genau ist denn dieses Reizdarmsyndrom? Und gibt es wirklich keine Alternative als sich damit zu arrangieren? Genau das schauen wir uns in diesem Artikel genauer an.
Was ist ein Reizdarm?
Das Reizdarmsyndrom ist eine funktionelle Störung des Darms mit typischen Symptomen wie Durchfall, Verstopfung, Blähungen, Bauchschmerzen oder Schwierigkeiten bei der Stuhlentleerung. Funktionelle Störung – das klingt jetzt erstmal kompliziert. Bedeutet aber eigentlich nur, dass es keine erkennbare organische Ursache für die Beschwerden gibt. Also kein Infekt, der den Durchfall hervorruft. Oder keine Entzündung, die Schmerzen bereitet. Wenn man von außen draufschaut, ist also eigentlich alles ok. Dass das bei der Diagnose Reizdarm jedoch in vielen Fällen nicht der Fall ist, wirst du gleich noch sehen.
Reizdarm - die Ursachen
Noch gibt es keine erkennbare organische Ursache. Derzeit geht man davon aus, dass es sich um eine Störung der Darm-Hirn-Achse handelt. Über die Darm-Hirn-Achse steht der Darm mit dem Gehirn in Verbindung. Wenn du mehr über diese komplexe Verbindung erfahren möchtest, lies dir unseren Artikel „Darm und Psyche – so hängen sie zusammen“ durch. Auch immunologische Faktoren scheinen bei der Entstehung des Reizdarmsyndroms eine Rolle zu spielen.
Reizdarm durch Fehlbesiedlung des Darms?
Immer öfter wird eine Fehlbesiedlung des Darms, eine sogenannte Dysbiose, als Ursache des Reizdarmsyndroms diskutiert. So ist die Zahl wichtiger, gesundheitsfördernder Bakterienarten bei Reizdarmpatientinnen oft verringert. Proteolytische Bakterien, die für Fäulnisprozesse im Darm sorgen, kommen hingegen vermehrt vor. Mehrere Studien zeigten zudem, dass bei Reizdarmpatientinnen die Vielfalt des Mikrobioms im Vergleich zu gesunden Menschen geringer ist. Noch dazu ist ihre Darmbesiedlung weniger stabil, lässt sich also leichter aus dem Gleichgewicht bringen. Genauer untersucht werden muss allerdings noch, ob diese Änderungen der Darmflora Ursache oder Folge des Reizdarms sind.
Symptome bei Reizdarm
Besonders häufig leiden Reizdarm-Betroffene unter:
- Bauchschmerzen
- Blähbauch
- Blähungen
- Verstopfung
- Durchfall
- Wechselstühlen
- starkem Stuhldrang
- Stuhlentleerungsschwierigkeiten
- Völlegefühl
Je nachdem, welche Symptome im Vordergrund stehen, lassen sich vier Reizdarm-Typen ausmachen.
Der Verstopfungs-Typ (IBS-C)
Die Stuhlfrequenz ist hier verringert. Das heißt, du hast seltener als dreimal wöchentlich Stuhlgang. Entsprechend ist der Stuhl eher hart und die Ausscheidung ist erschwert. Oft fühlt es sich an, als wäre die Analregion regelrecht blockiert.
Der Durchfall-Typ (IBS-D)
Reizdarm mit Durchfall ist die meistverbreitete Form des Reizdarmsyndroms. Hier tritt bei mindestens einem Viertel aller Toilettengänge Durchfall auf. Der Stuhl ist also eher weich bis flüssig. Die Stuhlfrequenz ist zudem erhöht. Das bedeutet, dass du regelmäßig häufiger als dreimal täglich Stuhlgang hast. Der Durchfall wird von den Betroffenen oft als explosionsartig beschrieben. Wehe, wenn keine Toilette in unmittelbarer Nähe ist … Krämpfe vor und während der Darmentleerung können ebenfalls auftreten.
Der Mischtyp (IBS-M)
Zu dieser Kategorie gehörst du, wenn du weder überwiegend unter Durchfall noch unter Verstopfung leidest. Das Stuhlverhalten variiert hier. Mal ist der Stuhl zu flüssig, mal herrscht tagelang Pause und der Stuhl ist zu hart. Die Stuhlgewohnheiten können sich hier täglich, wöchentlich oder auch monatlich ändern.
Der unklassifizierte Typ (IBS-U)
Du hast weder regelmäßig zu weichen noch zu harten Stuhl, erfüllst aber trotzdem die Kriterien für die Diagnose Reizdarmsyndrom? Dann gehörst du zu dieser Kategorie.
Du bist unsicher, welchem Typ du angehörst? Bei der Einordnung kann dir auch die Bristol Stuhlskala helfen. Beim Verstopfungstyp entspricht dein Stuhl eher Typ 1 und Typ 2 der Stuhlformen-Skala. Wenn du eher breiigen oder flüssigen Stuhl entsprechend Typ 6 oder Typ 7 hast, gehörst du vermutlich dem Durchfalltyp an. Beim Mischtyp wechselt deine Stuhlkonsistenz zwischen den Typen 1,2,6 und 7.
Reizdarmsyndrom - die Diagnose
Die Diagnose Reizdarm kann anhand der Rom-IV-Kriterien gestellt werden. Folgende Kriterien müssen erfüllt sein:
- die Symptome bestehen mindestens 6 Monate
- die Beschwerden traten in den letzten 3 Monaten durchschnittlich an mindestens einem Tag pro Woche auf
- es treten wiederkehrend Bauchschmerzen auf, zusammen mit mindestens zwei der folgenden Kriterien: Zusammenhang mit der Stuhlentleerung, veränderte Stuhlfrequenz (zu häufig oder zu selten) oder veränderte Stuhlkonsistenz (zu hart oder zu weich)
Klingt ja recht eindeutig, oder? Expertinnen kritisieren jedoch, dass die Diagnose Reizdarm oft zu voreilig gestellt wird. Denn es gibt ja noch zahlreiche andere Erkrankungen, die die oben genannten Symptome hervorrufen können. Dazu gehören zum Beispiel Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie Laktose- oder Fruktoseintoleranz, Nahrungsmittelallergien, Infektionen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa und natürlich Tumore an Darm oder Eierstöcken.
Wichtig ist deshalb, Folgendes immer zu bedenken: Das Reizdarmsyndrom ist eine Ausschlussdiagnose! Das heißt, bevor die Diagnose Reizdarm gestellt wird, müssen erst andere Ursachen für die Beschwerden ausgeschlossen werden. Genau das geschieht jedoch oft nicht.
Für eine sichere Diagnosestellung sollten deshalb folgende Untersuchungen durchgeführt werden:
- Magen- und Darmspiegelung
- Ultraschall des Bauches
- Blutuntersuchung
- Stuhluntersuchung auf Parasitenbefall
- Atemtest
Reizdarm behandeln – was hilft?
Was aber nun, wenn wirklich alle anderen Erkrankungen ausgeschlossen sind und die Diagnose Reizdarm steht?
Ernährung bei Reizdarm
Unser Darm kommt mit jedem Bissen, den wir nehmen, in Kontakt. Ganz klar also, dass auch die Ernährung einen Einfluss auf den Reizdarm hat. Zugegeben kann es etwas herausfordernd sein, die passende Ernährung zu finden. Denn welche Nahrungsmittel guttun und welche die Symptome verschlimmern, ist sehr individuell. Hier kann es hilfreich sein, über 2 Wochen ein Ernährungstagebuch zu führen. Dennoch gibt es einige Punkte, die jede Reizdarmpatientin beachten sollte.
Reizdarm? Beachte diese Ernährungstipps.
- Bevorzuge naturbelassene Lebensmittel ohne Zusatzstoffe.
- Kaue gründlich, um deinen Darm zu entlasten.
- Esse lieber mehrere kleine Mahlzeiten statt weniger großer.
- Vermeide schnelles und unachtsames Essen.
Pro- und Präbiotika für deine Darmgesundheit
Bei Reizdarmpatientinnen ist die Darmflora oft aus dem Gleichgewicht geraten. Umso wichtiger also, deine Darmbewohner zu unterstützen. Das geht am besten mit Präbiotika und Probiotika. Während Präbiotika deinen Darmbakterien als Futter dienen, unterstützen die lebensfähigen Mikroorganismen aus Probiotika deine Darmflora direkt. Präbiotische Lebensmittel wie Topinambur, Schwarzwurzeln, Artischocken oder Bananen und probiotische Nahrungsmittel wie Kefir, Sauerkraut oder Joghurt sollten also regelmäßig auf deinem Teller landen. Aber Achtung: Für eine bessere Verträglichkeit lieber langsam herantasten und die Menge nach und nach steigern.
Low-FODMAP-Diät bei Reizdarm
Bei Reizdarm wird zudem oft eine FODMAP-arme Ernährung empfohlen. FODMAP steht für fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und (and) Polyole. Es handelt sich hierbei um Kohlenhydrate, die im Dünndarm nur schlecht aufgenommen werden können. Sie landen dann relativ unverdaut im Dickdarm und werden dort von Bakterien fermentiert, also vergoren. Dabei werden Gase freigesetzt, die bei sensitiven Menschen zu Blähungen, Blähbauch oder Durchfall führen können.
Deshalb kann es Sinn machen, für einen gewissen Zeitraum Lebensmittel mit hohen FODMAP-Werten zu vermeiden. Dazu gehören unter anderem:
- Äpfel
- Bananen
- Kirschen
- Mangos
- Nektarinen
- Pfirsiche
- Artischocken
- Bohnen
- Kichererbsen
- Kohl
- Paprika
- Spargel
- Zwiebeln
Aber haben wir nicht vorhin gesagt, dass Bananen oder Artischocken besonders gut für die Darmgesundheit sind? Und jetzt sollen sie auf einmal ganz vom Speiseplan gestrichen werden? Genau das ist der Punkt, warum eine Low-FODMAP-Diät immer nur für einen begrenzten Zeitraum durchgeführt werden sollte. High FODMAP bedeutet nämlich keinesfalls ungesund. Im Gegenteil: Hülsenfrüchte, Kohl und Co. liefern wertvolle Ballaststoffe, Proteine und Nährstoffe wie Vitamine, Mineralien oder Antioxidantien.
Es geht hier also eher darum, den Darm für etwa vier bis acht Wochen durch die Auslassdiät zu beruhigen. Anschließend sollten Stück für Stück FODMAP-haltige Lebensmittel wieder eingeführt werden, um nicht in eine Mangelernährung abzurutschen.
Probiotika einnehmen bei Reizdarm
Präbiotika und Probiotika gehören täglich auf den Teller – das haben wir ja bereits geklärt. Aber ist es sinnvoll, zusätzlich Probiotika als Nahrungsergänzung einzunehmen? In umfangreichen Studien konnten tatsächlich Erfolge mit probiotischen Nahrungsergänzungen erzielt werden. Bei den Studienteilnehmerinnen wirkten sich die probiotischen Nahrungsergänzungen mit Bakterien wie Bifidobacterium longum oder Lactobacillus acidophilus (auch in XbyX Darm Kultur enthalten) unter anderem positiv auf die Leichtigkeit des Stuhlabsetzens, die Stuhlfrequenz und das Ausmaß des Blähbauchs aus. Die Probandinnen berichteten zudem über ein verbessertes Allgemeinbefinden.
Das Bauchhirn beruhigen bei Reizdarm
Fallen die Begriffe Stress oder Psyche, schrillen bei Patientinnen mit Reizdarm oft sämtliche Alarmglocken. Zu oft werden oder wurden sie in die „Psychoschublade“ gesteckt. Nein, das Reizdarmsyndrom ist keine psychische Erkrankung. Dennoch hat die Psyche einen Einfluss auf den Reizdarm. Das wird dir sicherlich auch auffallen, wenn du eine Zeit lang ein Symptomtagebuch führst und dort neben deinem Essen auch Stimmung oder Stress vermerkst.
Ist ja auch kein Wunder, schließlich stehen Darm und Hirn in engem Austausch. Du erinnerst dich an die Darm-Hirn-Achse? Die ist übrigens keine Einbahnstraße. Das heißt: Deine Psyche nimmt Einfluss auf deine Darmaktivität. Das wirst du sicher schon einmal vor einer wichtigen Prüfung bemerkt haben – Stichwort Angstdurchfall. Aber auch dein Darm nimmt Einfluss auf deine Psyche.
Wenn du deinen Reizdarm loswerden oder zumindest die Symptome lindern möchtest, solltest du also an deinem Stressmanagement arbeiten. Das ist oft leichter gesagt als getan, Inspiration bekommst du in unserem Artikel „5 Tipps für den Umgang mit Stress“. Eine Unterstützung können zudem Adaptogene wie Ashwagandha (z.B. in XbyX Ganz Gelassen) sein. Sie helfen deinem Körper besser, mit Stress umzugehen.
Reizdarm pflanzlich behandeln
Wie so oft hat auch hier Mutter Natur das ein oder andere Pflänzchen parat. Patientinnen mit Reizdarm neigen zu Krämpfen. Besonders empfehlenswert sind deshalb entkrampfende Pflanzen wie die Kamille. Kamille beruhigt zudem gereizte Schleimhäute. Um den unangenehmen Blähungen und dem Blähbauch entgegenzuwirken, eignen sich Pflanzen wie Kümmel, Fenchel oder Anis. Nicht umsonst ist die Kombination aus diesen Dreien auch als 3-Winde-Tee bekannt. Motilitätsregulierende Pflanzenextrakte bringen Ruhe in den rumorenden Magen- und Darmtrakt. Zu diesen Pflanzen gehören unter anderem Engelwurz und Zitronenmelisse. Auch mit der Artischocke konnten in Studien positive Effekte bei Patientinnen mit Reizdarmsyndrom erzielt werden.
Bei all diesen Tipps gilt es aber vor allem im wahrsten Sinne des Wortes auf dein Bauchgefühl zu hören. Denn so unterschiedlich die Erscheinungsbilder des Reizdarmsyndroms sind, so verschieden sind auch die Reaktionen auf die unterschiedlichen Behandlungsansätze.
Studien & Quellen
Probiotics, Prebiotics, and Synbiotics: Implications and Beneficial Effects against Irritable Bowel Syndrome | Simon E, Calinoiu LV, Mitrea L et al. Nutrients, 2021, 13(6), 2112 |
Efficacy of Probiotics for Irritable Bowel Syndrome: A Systematic Review and Network Meta-Analysis | Zhang T, Zhang C, Zhang J et al., Front Cell Infect Microbiol, 2022, 1(12) |
The low FODMAP diet: recent advances in understanding its mechanisms and efficacy in IBS | Staudacher H, Whelan K, Gut, 2017, 66(8), 1517-1527 |
Therapy of IBS: Is a Low FODMAP Diet the Answer? | Manning L, Yao CK, Biesiekierski JR, Front Psychiatry, 2020, 31 |
Irritable Bowel Syndrome: Epidemiology, Pathophysiology, Diagnosis, and Treatment | Defrees DN, Bailey J, Prim Care, 2017, 44(4), 655-671 |