Muskelabbau im Alter
Häufig schauen wir im Kontext von Wechseljahren und Älterwerden nur auf die Knochengesundheit. So wichtig diese auch ist, wir dürfen auf keinen Fall unsere Muskeln vergessen! Sie bilden ein stützendes Korsett für den Körper, für die Kraft, aber auch für Flexibilität und Stabilität des gesamten Skelettes. Zudem übernehmen sie wichtige Funktionen im Stoffwechsel.
Muskeln sind sexy und schützen
Muskuläre Körper sehen selbst mit ein paar Kilos zu viel tendenziell schlanker und wohlgeformter aus, als "schlappe" Dünne. Beispiel gefällig? Etwa der im Alter noch wohl definierte Körper von Tina Turner.
Haben Frauen zu wenig Muskeln, dann sind sie anfälliger für Verletzungen. Sie verbrennen zudem weniger Kalorien und nehmen schneller zu. Der altersbedingte Muskelschwund nennt sich übrigens Sarkopenie.
So geht Muskelabbau im Alter
Erwachsene verlieren ab dem 30. Lebensjahr jedes Jahrzehnt etwa 3 bis 8 % ihrer Muskelmasse. Ein Verlust, der sich nach dem 50. Lebensjahr auf 5 bis 10 % beschleunigt. Bei Frauen ist dieser Verlust besonders ausgeprägt, vorwiegend in der Zeit der Wechseljahre.
Forschungen zeigen, dass allein in der Perimenopause 10 % der Muskelmasse verloren gehen können. In der späten Perimenopause und in der Postmenopause ist die Wahrscheinlichkeit einer Sarkopenie, also des unfreiwilligen Muskelverlusts, deutlich höher als bei Frauen vor oder in der frühen Perimenopause.
Parallel verschlechtert sich, je älter eine Frau wird, auch die Proteinsynthese. Also die Fähigkeit des Körpers, Proteine aus dem Essen in magere Muskelmasse umzuwandeln. Proteine sind jedoch die Grundvoraussetzung für den Aufbau von Muskulatur.
Warum sind Muskeln so wichtig?
Bitte mache jeder Frau in deiner Praxis klar: Dieser Muskelabbau ist eine große Sache und sollte nicht immer weiter nach unten auf der eigenen Agenda geschoben werden. Wenn Frauen Muskeln und Kraft verlieren, büßen sie zum einen ihre Schnelligkeit und Kraft beim Sport, aber auch im Alltag ein. Wenn die Muskeln im Alter durch Fett ersetzt werden, verliert man neben der Kraft auch einen deiner wichtigsten Energieverbrenner. Das Risiko für Bauchfett wird erhöht.
Daneben begünstigt der Muskelabbau eine erhöhte Insulinresistenz, den Knochenschwund, das Frakturrisiko und das Risiko chronischer Krankheiten wie Diabetes und Herzkrankheiten.
Drei gute Gründe für starke Muskeln:
- Muskeln sind unser wichtigstes, endokrines – also stoffwechselaktives – Organ!
- Weniger Muskelmasse bedeutet, dass man selbst im Ruhezustand weniger Kalorien verbrennt. Wer mehr Muskelmasse hat, kann mehr essen! Man muss nicht ganz so viel Aufmerksamkeit auf seine Kalorienzufuhr richten und steckt die eine oder andere Sünde besser weg.
- Der Erhalt der Muskelmasse im Alter ist eine besonders gute Möglichkeit, um Knochenschwund und Knochenbrüche im Alter zu verhindern. Starke Muskeln schützen Knochen und Gelenke.
Muskeln sind mehr als nur der Bizeps
Bei starken Muskeln geht es natürlich um mehr, als einen definierten Bizeps oder Trizeps. Ein bedeutungsvolles Element im Körper ist die sogenannte Core-Muskulatur. Das heißt, die Bauch- und Rumpfmuskeln.
Ein starker Core ist essenziell für die Balance. Diese verhindert die typischen Stürze im Alter, die häufig in gebrochenen Hüften und anderen langwierigen Schäden resultieren. Trainiert Frau ihre Core-Muskulatur, stärkt sie nicht nur die Muskeln, sondern reduziert auch gleichzeitig das gesundheitsschädliche Bauchfett.
Weil Muskeln so wichtig für Selbstständigkeit und Gesundheit im Alter sind, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation allen Erwachsenen, mindestens zweimal pro Woche die wichtigsten Muskelgruppen mit mäßiger oder höherer Intensität zu trainieren. Doch besonders für aktive Frauen in und nach den Wechseljahren sollte diese Empfehlung wirklich das Minimum darstellen.
Zwei Dinge können Frauen aktiv gegen den Muskelabbau machen:
1. Krafttraining: Sport in Form von Krafttraining hilft, die Muskeln zu beanspruchen und somit aufzubauen.
2. Proteine: Eine ausreichende Zufuhr von Proteinen zu jeder Mahlzeit baut ebenfalls Muskeln auf.
#1 Muskelaufbau mit Krafttraining
Das Wunderbare an Muskeln ist, dass sie reagieren, wenn sie benutzt werden. Wer Gewichtehebt, stärkt seine Muskeln zwangsläufig.
Das funktioniert wie folgt: Intensives Training, eben das Heben von schweren Gewichten, beschädigt den Muskel. Dieser verändert sich daraufhin, um zukünftige Verletzungen zu vermeiden. Das klingt auf den ersten Blick schlecht, ist aber gut und gewollt. Intensives Krafttraining, insbesondere Widerstandstraining, erhöht so über die Zeit die Muskelmasse. Ganz egal, wie sportlich oder wie alt eine Frau ist.
Kraft und Widerstandstraining für den Muskelaufbau, heißt nicht, dass man jetzt zum Gewichtheber werden muss. Effektiv sind auch schon Übungen, die mit dem eigenen Körpergewicht arbeiten. Meistens werden sie im Stehen ausgeführt, wie Kniebeugen und Ausfallschritte. Aber auch im Vierfüßlerstand (Hände und Knie) oder in der Seitenlage (in der Planke).
Heißt: Ohne gezieltes Trainieren der Kraft erfolgt kein Muskelaufbau! Vermutlich reicht die WHO-Leitlinie mit den empfohlen zweimal pro Woche nicht aus. Sie hilft lediglich, einer weitgehend sitzenden Bevölkerung, sich zu bewegen und das absolute Minimum zu tun.
Wer lieber zur neuen Generation aktiver, sportlicher Frauen in den Wechseljahren gehören will, braucht mehr als das Minimum.
Wie oft trainieren, für optimalen Muskelaufbau?
Frauen in der Perimenopause, sollten nach Möglichkeit an drei Tagen pro Woche Krafttraining praktizieren. Wer zum ersten Mal Krafttraining betreibt, sollte dafür mit einer Trainerin zusammenarbeiten, um die richtige Technik zu erlernen.
Die Knochen passen sich an die Belastungen an, denen sie ausgesetzt sind. Das bedeutet, dass der Knochen stärker wird, wenn man die Belastung erhöht. Den größten Anreiz für den Kraftaufbau bieten Übungen wie Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben mit schwerem Gewicht. In der Regel werden 4 bis 5 Sätze mit je 6 oder weniger Wiederholungen durchgeführt.
Diese werden idealerweise mit anderen Übungen wie Lunges und Rudern mit moderaterer Intensität (z. B. 3 Sätze mit 8 Wiederholungen) ergänzt. Das klingt kompliziert für dich oder deine Klientinnen? Dann empfehle gerne unser Kraftzeit Programm.
Besonders wirksam ist dazu die Kombination von hochintensiven Intervall-Training, insbesondere kurze Sprintintervalle. Studien zeigen, dass sie dazu beitragen, die Muskelmasse zu erhöhen und gleichzeitig das Körperfett bei Frauen in den Wechseljahren zu reduzieren.
Keine Angst vor Muskel-Bergen!
Vor riesigen Muskel müssen Frauen übrigens keine Angst haben. Dies erreichen sie (leider) ohnehin kaum. Meist schaffen das nur Bodybuilderinnen, die intensiv darauf hintrainieren und die zudem vor dem Wettkampf noch ihren gesamten Körper dehydrieren.
Die tolle Nachricht: Es ist nie zu spät, um mit dem Erhalt der Muskeln zu beginnen. „Egal wie alt oder wie sehr du außer Form bist, du kannst viel von der Muskelkraft wiederherstellen, die du bereits verloren hast.“, so Marilyn Moffat, Physiotherapeutin.
#2 Muskelaufbau mit Proteinen
Ergänzend zum Training der Muskulatur ist die ausreichende Zufuhr von Protein förderlich, da diese den Muskelaufbau unterstützt: „Protein wirkt in Synergie mit Bewegung, um die Muskelmasse zu erhöhen.“ so Dr. John E. Morley, der Saint Louis University School of Medicine.
Muskeln können nur dann aufgebaut werden, wenn die dafür erforderlichen Aminosäuren im Körper vorhanden sind. Frauen müssen entsprechend genügend Eiweiß essen, vor allem, weil sie mit dem Alter und in den Wechseljahren eine größere „anabole Resistenz“ entwickeln können, was bedeutet, dass ihre Muskeln weniger empfindlich auf Eiweiß aus der Nahrung reagieren.
Die „offiziellen“ Empfehlungen liegen leider immer noch bei 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Viel zu wenig. Das ist lediglich die benötigte Minimalmenge, um einen Mangel bei sitzenden Frauen zu verhindern. Es ist aber keineswegs genug, um Muskeln aufzubauen! Das wissen wir dank zahlreicher Forschungsergebnisse.
Speziell für aktive Frauen empfiehlt die International Society of Sports Nutrition: „Die tägliche Proteinzufuhr sollte im mittleren bis oberen Bereich der aktuellen Sporternährungsrichtlinien (1,4 - 2,2 g/kg-Tag) für Frauen in allen Phasen der Menstruation (prä-, peri-, postmenopausal und Anwenderinnen von Verhütungsmitteln) liegen, wobei die Proteindosen gleichmäßig alle 3 bis 4 Stunden über den Tag verteilt werden sollten.
Frauen sollten sich also jeden Morgen ihren Protein-Smoothie gönnen oder ihr Müsli mit Proteinpulver ergänzen. Animiere Klientinnen gerne auch zu Smoothie mit Grünkohl, denn Grünkohl in Kombination mit pflanzlichen Proteinen unterstützt perfekt den Muskelaufbau und stärkt die Knochen.
Studien & Quellen
Isenmann, E., Kaluza, D., Havers, T., et al. (2023). Resistance training alters body composition in middle-aged women depending on menopause - A 20-week control trial. BMC Women S Health, 23(1). doi:10.1186/s12905-023-02671-y
Ko, J. & Park, Y. (2021). Menopause and the Loss of Skeletal Muscle Mass in Women. Iranian Journal Of Public Health. doi:10.18502/ijph.v50i2.5362
Volpi, E., Nazemi, R. & Fujita, S. (2004). Muscle tissue changes with aging. Current Opinion in Clinical Nutrition & Metabolic Care, 7(4), 405–410. doi:10.1097/01.mco.0000134362.76653.b2
Preventing Muscle Loss as We Age. New York Times.
Osteopenia: When you have weak bones, but not osteoporosis. Harvard Health Publishing.
Fitness Tips for Menopause. Mayo Clinic.
Watson, S. L., Weeks, B. K., Weis, L. J., et al. (2017). High-Intensity Resistance and Impact Training Improves Bone Mineral Density and Physical Function in Postmenopausal Women With Osteopenia and Osteoporosis: The LIFTMOR Randomized Controlled Trial. Journal Of Bone And Mineral Research, 33(2), 211–220. doi:10.1002/jbmr.3284
Sims, S. T., Kerksick, C. M., Smith-Ryan, A. E., et al. (2023). International society of sports nutrition position stand: nutritional concerns of the female athlete. Journal Of The International Society Of Sports Nutrition, 20(1). doi:10.1080/15502783.2023.2204066
Hudson, J. L., Wang, Y., Bergia, R. E., III & Campbell, W. W. (2019). Protein Intake Greater than the RDA Differentially Influences Whole-Body Lean Mass Responses to Purposeful Catabolic and Anabolic Stressors: A Systematic Review and Meta-analysis. Advances in Nutrition, 11(3), 548–558. doi:10.1093/advances/nmz106